chronische Schmerzen

Definition: Schmerz ist eine komplexe Sinneswahrnehmung, die als akutes Geschehen den Charakter eines Warn- und Leitsignals aufweist, als chronischer Schmerz diesen aber verloren hat und dann (als Chronisches Schmerzsyndrom) heute als eigenständiges Krankheitsbild gesehen und behandelt werden soll.

Warum gibt es so etwas wie einen Schmerz ohne erkennbare Ursache? Warum Klagen Menschen unter Schmerzen ohne dass eine Ursache im Röntgenbild zu finden ist?

"Ist es denn wirklich nur die Psyche?", "Ich bilde mir den Schmerz doch nicht nur ein!" sind typische Aussagen von Patienten, die unter solchen Schmerzen leiden.

In meiner langjährigen Erfahrung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Schmerz das ist, was der Patient als solchen bezeichnet. Schmerz ist immer subjektiv und gehört immer ernstgenommen. Einen eingebildeten Schmerz gibt es nicht!

Es handelt es sich um einen zeitlich länger andauernder Schmerz, wobei der genaue Zeitrahmen unterschiedlich definiert wurde, typischerweise drei bis zwölf Monate. Länger dauernde Schmerzen können sich in ein chronisches Schmerzsyndrom mit eigenem Krankheitswert entwickeln. Die Schmerzen haben dann ihre Leit- und Warnfunktion verloren. Diese Schmerzkrankheit ist neben den organischen auch durch die daraus folgenden psychosozialen Veränderungen definiert, die in die integrative Schmerzbehandlung einfließen müssen. Chronische Schmerzen haben - im Gegensatz zu akuten - fast nie nur eine einzige auslösende oder unterhaltende Ursache, sie sind multikausal. Die Behandlung mit typischen Analgetika alleine ist für chronische Schmerzen nicht ausreichend.

Schmerzgedächniss

Schmerzen ausradieren?

Schmerzen ausradieren?

Nervenzellen können lernen. Wenn wir ein Gedicht auswendig lernen wollen müssen wir es ständig widerholen; wenn Schmerzen immer wieder auftreten werden auch diese Lernvorgänge auslösen.

Akute Schmerzen sind überlebenswichtig, sie bewahren uns vor Schaden. Bei immer wieder auftretenden Schmerzen lenkt das Gehirn seine Aufmerksamkeit darauf: Da ist irgendetwas nicht in Ordnung, da muss ich mal genauer hinschauen. In der Folge wird die Schmerzschwelle am Ort der Schmerzen erniedrigt, die Schmerzimpuls zum Hirn anderen Impulsen vorgezogen und schneller zum Hirn geleitet. Und auch das neuronale Netzwerk im Hirn ändert sich: so werden schmerzhafte Areale auf der Hirnoberfläche größer repräsentiert.

Mit der Zeit kann es vorkommen, dass es keine Ursache für den Schmerz mehr gibt, die Schmerzen aber weiter wahrgenommen werden. Ähnlich wie bei einem Ohrwurm, der sich auch im Hirn festgesetzt hat. So können dann normale Berührungen als schmerzhaft empfunden werden oder der Schmerz breitet sich auf andere Körperregionen aus.

Das System ist dann mit einem übersteuerten Verstärker zu vergleichen, wo kleine Geräusche bereits eine massive Übersteuerung auslösen.

Neurowissenschaftler kennen die zu Grunde liegenden molekularen und zellbiologischen Zusammenhänge:

- Änderung des neuronalen Netzwerkes
- biochemischen Veränderungen der Nervenzellen und der Synapsen
- Anpassung der Schmerzsensoren

Ganz wichtig: Die Ausbildung eines Schmerzgedächtnis ist etwas ganz normales, manche Personen sind aber bevorzugt davon betroffen. Sicher hat es nichts mit einer erhöhten Empfindlichkeit (Weichei) zu tun. Auch "stellt sich keiner an", der unter chronischen Schmerzen leidet.

Seelische Schmerzen?

Wenn die Ärzte keine Ursache für die Schmerzen finden können kommen zwangsläufig Fragen wie:

Stelle ich mich an?
Bilde ich mir das etwa nur ein?
Ist es denn wirklich nur die Psyche?

Wichtig ist das "nur" in der letzten Frage. In allen anderen Bereichen des Lebens sind wir stolz auf die Leistungen des Hirns. Nur wenn es um Schmerzen geht nicht, dabei sind Schmerzen immer eine aktive Leistung unsere Gehirnes.
Es ist immer beides: Körper und Hirn (oder Psyche). Das eine vom anderen trennen zu wollen ist Unsinn.

Schmerzen, für die keine offensichtliche Ursache zu finden ist, sind eines der schlimmsten Dinge die ein Mensch erleben kann. Wenn schon etwas weh tut, dann sollte es zumindest einen Sinn haben

Der Volksmund kennt den Begriff seelische Schmerzen schon lange, jetzt wird er durch neuer wissenschaftliche Untersuchungen neu belegt.

siehe dazu den Artikel von Prof. Spitzer [LINK]

Warum hat die Evolution so etwas wie „Schmerzen ohne Grund“ zugelassen?

Sind „Schmerzen ohne Ursache“ sinnlos?

Einsamkeit

Einsamkeit

Der Zusammenhang von Schmerzen und Einsamkeit lässt sich aus evolutionärer Sicht theoretisch einordnen, ist dem erfahrenen klinischen Praktiker nichts Neues und gehört zu dem, was man die Weisheit der Sprache nennt.

Wegweisend war eine Untersuchungsreihe durch Naomi Eisenberger von der University of California in Los Angeles. "Fühlt sich jemand ungeliebt, einsam und nicht gewollt, tut das auch körperlich weh. Soziales und physisches Leid überlappen sich dann."

In einem funktionellen Kernspintomographen können stoffwechselaktive Bereiche des Hirns angezeigt werden. Eine Versuchspersonen spielten mittels Videobrille und Joystick ein Ballspiel mit zwei weiteren Spielern. Nach einiger Zeit wurde der Person von den anderen Spielern kein Ball mehr zugeworfen, sie wurde ausgegrenzt. Dabei leuchtet ein Hirnbereich auf, der auch bei Schmerzpatienten aktiv ist: der vordere Gyrus cinguli. Mittlerweile weiß man, dass dieser Ort die Schmerzstärke anzeigt, egal ob körperlichen oder seelischen Schmerzen.

Damit wird klar, dass Ausgrenzung, Vereinzelung und Einsamkeit weh tut. Und genau das scheint der tiefere Sinn zu sein, warum dieser Schmerz in der Evolution wichtig war: ein vereinsamter Mensch hatte in der Steinzeit keine Überlebenschance, er war zum eigenen Schutz und zum Jagen auf Mitmenschen angewiesen. Wenn Vereinsamung weh tut, so treibt uns dieser Schmerz in die schützende und nahrungsgebende Gruppe zurück - und sichert das Überleben.

Dazu finden Sie HIER [Link] einen exzellenten Übersichtsartikel.

Schmerz und Aufmerksamkeit, Tinnitus

Der Körper richtet seine Aufmerksamkeit der schmerzhaften Körperstelle. Er legt sprichwörtlich "das Ohr auf die Schienen". An der Stelle ist etwas nicht in Ordnung, dem Bereich muß jetzt Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dadurch kommt es zu einer Vergrößerung der im Hirn abgebildeten Körperstellen.

Die Anpassung des neuronalen Netzwerkes ist umso effektiver, wenn ich den Reizen viel Beachtung schenke. Ein Beispiel dafür ist der Tinnitus: zumeist lässt sich keine eindeutige organische Ursache finden. Auslöser war aber häufig ein Besuch in der Disko oder ein Knalltrauma mit der Folge dass es Ohrgeräusche gibt. Die werden immer lauter je mehr ich ihnen Aufmerksamkeit schenke. Jetzt, wo ich diese Zeilen schriebe, nehme auch ich Ohrgeräusche war. Ansonsten stören sie mich aber nicht. Das ist wie eine Kamera die über die Zuschauertribünen beim Fußballspiel schwenkt: erst wenn die Zuschauer bemerken, dass sie gefilmt werden (ich meine innere Kamera auf die Geräusche lenke) werden sie winken, rufen, Aufmerksamkeit erregen.

Darum haben ablenkende Verfahren Erfolg bei chronischen Schmerzen und Tinnitus. Beides sind fehlgelaufene Lernvorgänge des neuronalen Netzwerkes in unserem Gehirn.

Etwa 11 Millionen Deutsche über 18 Jahren leiden unter chronischen Schmerzen.

Die Ursachen für chronische Schmerzen können vielfältig sein, die häufigsten sind: Chronische Gelenkschmerzen: bei rheumatischen Erkrankungen (Morbus Bechterew, Primär chronische Polyarthritis, u.v.a.) Schmerzen, die vom Bindegewebs- und Muskelapparat ausgehen (z.B.: Fibromyalgie, Myopathien, u.v.a.) Chronische Kopfschmerzen: (Cluster, Migräne, Hemicranie, etc.) Phantom- und Stumpfschmerz nach Extremitätenverletzungen und Amputation Schmerzen durch chronische Nervenreizung oder -schädigung: hierzu gehören Engpaßsyndrome (Karpaltunnel, Sulcus ulnaris), Nerventumore, Nervenverletzungen, narbige Nervenschäden nach Operationen, Entzündungen usw.. Tumorschmerzen: Tumore können durch den Befall innerer Organe, des Knochens und der Nerven zu stärksten Schmerzen führen. Unsere Praxis verfügt über eine große Kompetenz in der Schmerztherapie mit dem Schwerpunkt Rückenschmerz.

Unser Ziel ist es, den Patienten eine optimierte Schmerztherapie zukommen zu lassen. Wir verschaffen uns hierzu zunächst ein genaues Bild von der Erkrankung jedes einzelnen Patienten. Es wird dann geprüft, welche Behandlungen bisher erfolgt sind, ob diese optimal durchgeführt wurden und ob eine neurochirurgische Behandlung nötig ist oder aber eine andere Fachdisziplin der richtige Ansprechpartner ist. Bei der Therapie chronischer Schmerzen, stehen wir in engem Kontakt und wissenschaftlichen Austausch mit Kollegen der Orthopädie, Neurologie, Anästhesie und Medizinischen Psychologie. Wir nehmen etwa 2-wöchentlich an mehreren interdisziplinären Schmerzkonferenzen teil, die für alle Fachdisziplinen der Medizin offen stehen. Im diesem Rahmen können wir Ihren Fall vorstellen, Sie erhalten in kurzer Zeit die Meinung von Ärzten der verschiedensten Fachdisziplinen. Sollte im konkreten Fall eine neurochirurgische Behandlung möglich und sinnvoll sein, können wir ein breites Spektrum unterschiedlichster Therapieverfahren anbieten.